26. Oktober 1944

                                                                      Osten, den 26.10.44

Meine liebe Ellermaus, liebe Kinder.

Es ist jetzt 16 Uhr und ich komme jetzt erst dazu den heutigen Brief zu schreiben. Den ganzen Tag ging es mit der Fliegerei so daß man immer lang liegen mußte. Die Bande warf Bomben und schoß mit Bordwaffen, da hieß es also vorsichtig sein. Gestern abend warfen sie uns auch einige in die Stellung, dan war die Hölle los, ein Feuerwerk, nicht mal in Ruhe kann man seinen Brief schreiben es ist nichts wenn man vorn liegt dann lieber so [....] zurück im engen Bunker. Heute war nun mal schöner Sonnenschein, aber das mußte ja auch so sein, denn Du hast ja Geburtstag, hebt mir mal ein Stück Kuchen auf!

Wenn Ihr beim Kaffeetrinken seid, dann denkt auch ein wenig an mich, ich habe schon lange nicht mehr auf einem Stuhl gesessen, und wenn es nur ein Kohlenkasten wär, wäre ich doch froh, aber ich muß mit einem Stück Brett auf der nassen Erde zufrieden sein, wo einem immer das Wasser untem Hintern läuft, dazu nasse Füße, nicht mal Strümpfe kann ich wechseln, alles futsch auch die Zeltbahn, die ich so nötig gebrauchen könnte, war alles auf dem Wagen der unterwegs entzwei ging und nicht mehr nach kam, werden sich wohl die anderen Kameraden angeeignet haben. Ja, ja, mein Kind, so kann es einem bei [...] ergehen. Es ist jetzt kalt, wenn die Sonne weg ist, meinen Mantel habe ich, nachdem ich den Lehm etwas mit dem Löffel abgekratzt habe in das Gebüsch gehängt, aber der wird immer näßer statt trocken, es ist hier viel zu feucht. Bin ja gespannt, wie lange wir hier noch auf dieser Stelle bleiben, wir werden auch wahrscheinlich in den nächsten Tagen auf 2 Tage in Ruhe gehen, dann kann man wieder seine Sachen in Ordnung bringen, sich waschen und schlafen! Eben war man schon wieder mit der Nase im Dreck, Du wirst es ja auch am Papier merken, denn überall wo man hinfäßt hat man die Hände u. Sachen voll Lehm. Wenn man Nachts 2-3 Stundenschlafen kann, dann muß man erst beim Erwachen alle Knochen abtasten, denn Gefühl hat man vor Kält nicht mehr, da wär ich doch lieber an die Westfront gegangen, ob-wohl die Fliegerangriffe dort stärker sind, aber da ist man doch wenigstens in Deutschland oder dicht dabei. Ich friere, daß mir die Knochen zittern, daß ich mir mit den naßen u. kalten Füßen noch nichts ge-holt habe, nicht mal einen richtigen Schnupfen, daß wundert mich selbst, aber das wird ja dann erst alles noch kommen, wenn man wieder in geordneten Verhältnissen lebt.

Gestern habe ich nun meine erste Verwundung bekommen, ist nicht der Rede wert, reicht nicht für die Heimat. Übrigens bekam ich gleich 3 Granat-splitter von denen die beiden ersten nicht persönlich trafen, bekam einen Splitter in die linke Patronen-tasche, dabei ging ein Schuß los und riß die Tasche auf der Seite auf, den zweiten Splitter bekam der Gewehrkolben und der dritte ging mir über die rechte Hand hinterließ nur zwei kleine Kratzer und ein Stückchen Haut ab. Schade nicht?

Denk dir mal ich habe ich habe mein Feuerzeug hier im Schlamm verloren, und konnte es nicht mehr wiederfinden, zumal keiner mehr Feuer für die Zigaretten hat, es ist ja nur dumm, daß ich am Tage da nicht suchen kann wegen Feindeinsicht, muß es nun schießen laßen, habe mich sehr darüber geärgert.

Gestern hatte es in meiner Gruppe ein russischen Überläufer, ich glaube er war der glücklichste Mensch auf Erden, als er glücklich gelandet war, er strahlte über das ganze Gesicht, er war noch mit 2 anderen getürmt, die aber kurz vor unserer Stellung abgeschossen wurden, den einen konnten wir noch sehen, nachher war aber nichts mehr von ihm zu sehen, die Ari hatte uns dorthin ganz nette Brocken hingesetzt und hingehen kann man ja nicht, weil alles freies Gelände da- zwischen liegt.

Nun mir hatten sie ja gestern als ich die Splitter abbekam auch 3 schöne Dinger vor die Nase gesetzt, da blieb einem direkt die Luft weg, aber das ist ja alles vergänglich,  wenn es vorbei ist hat man auch alles wieder vergessen was man so dabei ausgestanden hat.

Ja ja, meine Lieben,drückt mal weiter die Daumen, daß alles bald vorbei ist.

Nun zur letzten Seite, neues gibt es ja weiter nicht zu berichten, und immer nur von dem erzählen was hier los ist ist ja auch nicht schön, aber Ihr braucht Euch um mich keine Sorgen zu machen, es wird schon alles bei mir zum glücklichen Ende führen. Was macht Ihr, wie geht es Euch, Ihr seid doch hoffentlich aller gesund.

Hat sich sonst etwas ereignet, wie ist es mit dem Fall Japke, warst Du beim Rechtsanwalt?

Ich hoffe, daß Ihr also alle wohlauf und guter Dinge seid und Euch auch immer vertragt. Waren in Bln. [Bln. = Berlin, Anm. des Erfassers] schon wieder Angriffe, hier hört man ja nichts davon, man ist hier vorn von allem abgeschnitten, schreibe mir mal alles ausführlich.

Nun meine Lieben, werde jetzt schließen, will mir auch den Mantel anziehen damit ich nicht noch mehr friere, wenn Du mit Verwandten u. Bekannten zusammenkommst, dann bestelle herzliche Grüße, den schreiben kann ich von hier doch nicht, da hat man gar keine Gelegenheit. Wenn Du mal einige Tage keine Post von mir bekommst, dann sei nicht unruhig, denn man hat nicht immer Zeit zum Schreiben.

Also dann mit tausend herzlichen Grüßen und Küssen.

Euer Papa |  Dein Bert.

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