Ein alter Freund

Gut erinnere ich mich an einen alten Freund meines Großvaters, den wir in meiner Kindheit ab und zu besucht haben. Karl Unbehaun hieß er und er war ein alter "Genosse".
Er war wohl auch Mitglied der KPD gewesen vor dem Krieg und auch danach. Die wurde doch irgendwann verboten ... bei wem er danach eine politische Heimat gefunden hat, weiß ich nicht.
Karl war schon ein alter Mann, als ich ihn kennenlernte. Er hatte eine glänzende Glatze und an einer Seite eine mords Delle im Schädel. Natürlich wollte ich wissen, woher die kam. "Da ist ihm ein Panzerdeckel draufgeknallt.", war die Auskunft, irgendwie mit einem Augenzwinkern, so dass ich nie genau wusste, wie ernst die Aussage gemeint war. Das wurde etwas ominös gehandhabt und ich hatte das Gefühl, dass das Loch eher mit seiner politischen Gesinnung zu tun gehabt hat. Aber damals konnte ich mir unter alldem nicht viel vorstellen, was die alten Leute und meine Großtanten als den "Terror" bezeichneten.
Als Karl gestorben ist, ist meine Mutter zur Beerdigung gegangen und hat erzählt, an seinem Grab hätten die Genossen "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" gesungen. Das fand ich immer sehr schön, und ich hätte meinem Großvater auch gewünscht, dass ein Haufen alter, roter Socken mit erhobener Faust dieses Lied an seinem Grab gesungen hätten, anstatt dass er irgendwo zu Brei gebombt in einem zerwühlten Schützengraben vermodert wäre.

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