7. Oktober 1944

1)                     Liebe Ellemaus, liebe Kinder!

Mein ersten Brief von der Fahrt schreibe ich im fahrenden Zug, aber du wirst ja alles lesen können. [1?] mal den Abschied. Ihr werdet ja den Fliegerangriff [3?] erlebt haben, und wie ich mich in Spandau habe, sind ja dort keine Bomben gefallen und Ihr werdet ja hoffentlich wenn auch mit Verspätung gut u. gesund nach Hause gekommen sein. [Uns?] dagegen ist es sehr schlecht ergangen, ich bin das erstemal um mein Leben gelaufen, aber wie! Es war furchtbar, haben 4 Tote und 18 Verwundete zu beklagen, unseren Zug konnten wir nicht mehr benutzen, direkt vor der [2?] haben wir ge-legen u. sind erst nach dem Nachtalarm weiter gefahren, jetzt befinden wir uns

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auf dem Wege nach [1?], ob direkt oder [1?] steht noch nicht fest, sind jetzt in Guben. So mein Liebling, nun will ich Dir meine erste Feuertaufe beschreiben. Wir waren noch nicht bis Spandau gekom-men als Alarm kam, wir lagen auf der Straße bei den [2?], Du kennst sie ja, fest, als wir mit einem Male schon fast über uns den [1?] Verband sahen, die ersten Leuchtzeichen fielen, also das Zeichen für Bombenabwurf. Nun hieß es Rette sich wer Kann, die Flieger hatten genau Kurs Bahnschranke. Einige Kameraden liefen schon über die Gleise, ich sah schnell noch mal nach oben, erkannte die Lage und blitzschnell raus aus dem Wagen, rüber über die Gleise die Böschung hinunter, da rauschte es auch schon, nun mußte man direkt vor den Flugzeugen herlaufen, weil die Lage es nicht gestattete nach links oder rechts auszuweichen.

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Deckung war auch keine vorhanden, also weiter gestolpert, hingefallen wieder hoch und weiter, erst wollte ich an der Bahn-böschung liegen bleiben, die eigentlich Schutz bot, aber irgend etwas zog mich weiter, auch gut, denn dort fielen links und rechts nachher Bomben, die Gleise zeigten nach oben. Also mir gesagt, ich laufe weiter, Du kannst Dir garnicht vorstellen, wie das aus-sah, wie alles rannte, dort lag eine Gas-maske, hier eine Mütze, dort wieder eine Gasmaske und dazwischen das Rauschen der Bombenteppiche, das Umherfliegen von Dreck und Steinen, ich nur weiter, hinter uns und über uns Flieger, kam nun an eine Brücke, sprang da  3 m in die Tiefe um unter der Brücke Schutz zu suchen, da kam auch schon der nächste Segen von oben, wir legten uns alle an die Mauer der Brücke gepreßt auf die Erde, da flogen auch schon Steine und alles Mög-liche um uns herum, wir lagen bald

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übereinander, wieder einen Moment Ruhe, dann wieder das Rauschen in der Luft, wieder hingehauen, dann wurde es mir unter der Brücke zu gefährlich, dann will ich lieber im Freien liegen, als noch die Eisenbahn auf den Kopf zu bekommen, also nur noch bis zum nächsten Baum kommen um etwas Deckung zu finden nach-dem auch das überstanden war, lief ich weiter in ein Haus in den Keller, da kam der nächste Abwurf, die Keller-

wackelte, als ob jemand draußen stände und mit Gewalt an der Tür rüttelt, als wieder ein Moment Ruhe einkehrt, wieder raus aus dem Keller und ein Stückchen weiter in einen Bunker, wo ich dann das Ende des Angriffs abwartete,  es hieß dann weitere Verbände im Anflug, die aber wohl abdrehten, dann erst konnte man alles übersehen, wo man vorher überall gelegen hatte, wo die Bomben gefallen sind und welches Glück man dabei gehabt hat.

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Gewundert habe ich mich eigentlich über meine Ruhe dabei denn so draußen liegen u. die Bomben fallen daneben, ist doch eigentlich nicht so harmlos, doch von Angst keine Spur, gedacht habe ich nur an Euch gedacht, ob Ihr in [1?] verschont geblieben seid, u. dann aller-dings auch daran ob es mich jetzt jeden Augenblick treffen kann, aber wie gesagt, ich hatte Glück u. einen guten Riecher, erstens an der Böschung wo ich liegen bleiben wollte, fielen links u. rechts Bomben, an der Brücke ging dann [3?] ein Blindgänger nieder, der bei Explosion große Verluste hervorgerufen hätte. Also Du siehst mein Kind Glück muß man haben, aber wenn man so etwas im Freien erlebt, dann erkennt man erst die Wucht. Unser Zug  selbst bekam links vor die Maschine eine Bombe, der die Masch. beschädigte u. aus den Schienen hob, dann bekamen wir hinten einige Treffer die die Wagen beschädigten u. wo auch die meisten Verluste entstanden,

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von denen die den Bahnkörper nicht verlassen hatten. Jedenfall wurden wir [1?] u. lagen nun in Spandau fest, erlebten nun noch den zweiten Angriff, der uns aber nichts mehr tat, u. sind dann eine Stunde danach weitergefahren, jetzt 3/4 10 Uhr, wir sind eben in [3?]. Nun meine Lieben, habe ich Euch so gut es ging unser erstes Erlebnis ge-schildert, hoffen wir, daß alle anderen ebenso gut an mir vorübergehen. Ich will jetzt schließen, denn auf der nächsten Station soll der Brief an Euch abgehen. Ich hoffe, daß Ihr denselben bei bester Gesundheit erhält, es ist nur schade, ich ich nun von Euch lange keinen Brief bekommen kann. Aber im ersten Brief schreibe mir dann mal was Ihr in [1?] erlebt habt. Also meine Lieben, bis zum nächsten Mal, seid recht herz-lich gegrüßt und xxxxxxx innigst geküßt von Eurem Papa

Grüße alle Bekannten! Dein Bert.

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